Festungsbrigade 23

Die Festungsbrigade 23 entstand nach dem Zweiten Weltkrieg aus der ursprünglichen Festung St. Gotthard (1892-1951), auch als Gotthard-Verteidigung und Gotthard-Befestigung bezeichnet. Zwischen 1948 und TO51 hiess der Verband Reduitbrigade 23.

Die politische und militärische Bedeutung des Gotthards

Diese Analyse wurde von Hptm Peter Ziegler, Stab Festungsbrigade 23, im Rahmen der Sonderausstellung der Festungsbrigade 23 zu 100 Jahre Gotthard-Festung im Schweizerischen Landesmuseum 9. November 1985 bis 2. März 1986 erstellt.

Im Zentrum der Schweizer Alpen, wo Rhein und Rhone, Reuss und Ticino entspringen, liegt das Gotthardmassiv. Der Pass ist der kürzeste Gebirgsübergang unseres Landes, von Bahn und Strassen leistungsfähig erschlossen. Von hier weg führen Verbindungen ins Reusstal und ins Tessin, nach Graubünden und ins Wallis. Der Gotthard ist nicht nur schweizerische Mitte; er ist ebenso Teil einer wichtigen internationalen und damit völkerverbindenden Transversale.

Bei aller Weltoffenheit, bei allem Bemühen, einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten, dokumentierte die neutrale Schweiz mit ihrer Milizarmee stets den unmissverständlichen Willen zur Verteidigungsbereitschaft, zur Selbstbehauptung. Dieser Wille basiert heute wesentlich auf dem sicherheitspolitischen Grundsatz der Dissuasion, also auf dem Bestreben, einem Angreifer den Eintrittspreis mit allen Mitteln möglichst hoch anzusetzen.

Für die Schweizer wie für das Ausland ist der Gotthard – namentlich seit der Reduit-Konzeption während des Zweiten Weltkrieges – zum Symbol geworden: zum Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, zum Symbol der Wehrhaftigkeit, zum Symbol zäher, lange anhaltender und entscheidender Verteidigung. Tausende von Wehrmännern leisten heute diesseits und jenseits der Wasserscheiden regelmässig ihren Militärdienst, zu einem grossen Teil in modern ausgerüsteten Festungen.

1885: Teilkredit für die Gotthard-Festung bewilligt

In diesen Tagen sind genau hundert Jahre verstrichen, seit das Eidgenössische Parlament in der Wintersession 1885 mit dem Militärbudget 1886 einen Teilkredit von 500’000 Franken bewilligt hat für Festungsbauten am Gotthard in der Gesamtkostenhöhe von 2,67 Millionen Franken. Man gab damit grünes Licht für die Verwirklichung eines lange geplanten, von der Landesverteidigungskommission unter Oberst Alphons Pfyffer seit 1882 tatkräftig vorangetriebenen Konzepts, das sich zum Teil auf neuste Erfahrungen mit Befestigungsanlagen im Ausland abstützte. Damit reagierte der Schweizerische Bundesstaat einerseits auf die veränderte politische und militärpolitische Lage im damaligen Europa – die Eidgenossenschaft war von aufstrebenden, selbstbewussten Nationalstaaten umgeben –, und anderseits organisierte man – nicht zuletzt auch im Interesse des Auslands – eine wirksame Verteidigung für die 1882 eröffnete Gotthardbahn und ihr Kernstück, den 15 Kilometer langen Eisenbahntunnel. Diese moderne Verkehrsachse sollte allen dienen, in Krisen- und Kriegszeiten aber allein in neutralem schweizerischem Besitz sein und bleiben.

Der Gedanke, den Gotthard zu befestigen, hatte reifen müssen. Die Kritik des Obersten Hermann Siegfried von 1873, die Schweiz sei gegenwärtig das einzige Land Europas, welches einen Krieg ohne Unterstützung durch befestigte Plätze durchzuführen hätte, trug ebenso zum Entscheid bei wie die negativen Erinnerungen an die Kämpfe zwischen Franzosen und Russen am Gotthard im Kriegsjahr 1799. Den eigentlichen Anstoss, die Landesbefestigung endlich voranzutreiben, hatte 1879 der Aargauer Nationalrat Rhyniker gegeben. Seine diesbezügliche Motion war zwar abgelehnt worden, hatte aber vorerst in militärischen Fachkreisen und Vereinen, hierauf in politischen Gremien und zuletzt in der Gesamtbevölkerung nachhaltige und kontroverse Diskussionen ausgelöst. Während die Befürworter fanden, wenn der Gotthard nicht befestigt werde, könne man die Schweiz vom Rhone- und vom Rheintal aus wie mit einer Zange knacken und argumentierten, schützende Festungen brächten Mut und Ausdauer in die Soldaten, meinten die Gegner, das Schweizervolk wolle keine Festungen. Andere wichtige Interessen – beispielsweise die militärische Ausbildung – müssten unter dem Festungsbau leiden. Zudem seien grosse Folgekosten zu erwarten.

Der Bau der Gotthard-Festung

Im Jahre 1886 begannen die Festungsbauten am Südportal des Gotthardtunnels und am Fort Airolo. Bis 1894 folgten die Forts Furka und Galenhütten auf dem Furkapass, Artillerie- und Infanteriestellungsbauten auf der Gotthardpasshöhe und auf der Oberalp, und es entstanden die Forts Büel und Bäzberg bei Andermatt. Die vom eidgenössischen Geniebüro vergebenen Arbeiten wurden von einheimischen Baufirmen ausgeführt. Panzerungen, Panzertürme und Geschütze bestellte man bei ausländischen Lieferanten, die in der Kriegsindustrie erfahren waren, zum Beispiel bei den Krupp-Werken in Essen. Dies aber erst, nachdem sich eine Militärkommission durch Augenscheine im Ausland von der Wirksamkeit der neuen Bewaffnungstechnik überzeugt hatte.

1894 war das System der Gotthard-Festung im Wesentlichen verwirklicht. Die Werke enthielten moderne Geschütze und waren durch unterirdische Kabelleitungen und zum Teil durch Stollen miteinander verbunden. Statt der ursprünglich vorgesehenen Kosten von 2,67 Millionen Franken hatte man allerdings, über weitere Zusatzkredite bewilligt, 12’664’000 Franken ausgegeben. Dafür konnte nun vom Fort Airolo aus der Gotthard-Eisenbahntunnel verteidigt, das Bedrettotal und die Leventina gesperrt, die Gotthardstrasse mit Festungsartilleriefeuer belegt werden. Mit den Werken auf der Furka liess sich der Pass halten, der Zutritt über das Nägelisgrätli ins Haslital verhindern; Festungsartilleriefeuer deckte die Alpenstrassen Furka und Grimsel. Stellungsbauten auf dem Gotthard machten es möglich, den Pass zu halten, die Tremolaschlucht zu sperren und die Anmarschwege unter Artillerie- und Infanteriefeuer zu nehmen. Aus Stellungsbauten auf der Oberalp liess sich der Pass verteidigen; die Werke Fort Büel und Fort Bäzberg bei Andermatt dienten dem Auftrag, die Teufelsbrücke zu halten und deren Sprengung sicherzustellen, das Engnis Urnerloch zu sperren, das Urserental sowie die Alpenstrassen Gotthard, Furka und Oberalp mit Festungsartilleriefeuer zu decken.

Beachtung durch das Ausland

Die Befestigung des Gotthards brachte für Europa eine neue strategische Situation: Die kürzeste Nord-Süd-Achse durch die Schweiz war nun wirkungsvoll geschützt und in einem möglichen Kriegsfall für einen Angreifer nur unter verhältnismässig hohen Opfern nutzbar zu machen. Diese Kosten-Nutzen-Rechnung musste hinfort jeder interessierte ausländische Generalstab anstellen. In Italien und in Deutschland wurden darum neue Dispositionen getroffen. «Der Gedanke, durch die neutrale Schweiz die Vereinigung mit den deutschen Armeen zu suchen, musste von Italien bald aufgegeben werden, als die Schweiz zunächst den Gotthardpass befestigte und später die Strasse durch das Rhonetal durch die Werke von St-Maurice verlegte.» Dies schrieb Alfred von Schlieffen, der Generalstabschef des deutschen Heeres, im Jahre 1901. Und etwas später urteilte der Oberbefehlshaber des italienischen Heeres, General Luigi Cadorna: «Um ins schweizerische Mittelland zu gelangen, welche Schwierigkeiten. Man müsste die schwierigste Bergkette Europas überwinden, die am Knotenpunkt des St. Gotthard und bei St-Maurice im Wallis mit den besten modernen Festungswerken versehen ist.» In diesem Sinne ist die abschreckende Wirkung der Festungsbauten am Gotthard auf die Nachbarländer erwiesen.

Konsequenzen aus dem Festungsbau

Der 1885 in die Wege geleitete eidgenössische Festungsbau hatte Konsequenzen und Folgen. Zur Bedienung der Werke musste eine neue Truppengattung, die Festungstruppe, geschaffen werden. 1893 fanden in Andermatt die ersten Schulen und Kurse für Festungstruppen statt. Andermatt und Airolo wurden Waffenplätze . Mit den berühmten Gotthard-Mitrailleuren erhielt die Schweizer Armee 1898 die ersten Einheiten mit Maschinengewehren. Aus der 1892 gegründeten Festungsverwaltung St. Gotthard entstanden die heutigen Festungswachtkorps 17 in Andermatt und 18 in Airolo. Sie sind heute verantwortlich

  1. für die Bewachung, den Unterhalt und die Verwaltung der Festungsanlagen,
  2. für deren Besetzung und Verteidigung bis zum Eintreffen der Kriegsbesatzung, in die sie dann eingegliedert werden,
  3. für die Mitwirkung bei der militärischen und fachtechnischen Ausbildung der Werk- und Festungsformationen.

Die Festungen am Gotthard blieben nicht die einzigen derartigen Werke in der Schweiz. 1892 erfolgten die ersten Sprengungen für den Bau der Festung St-Maurice; 1949 war die kurz vor dem Zweiten Weltkrieg begonnene Festung Sargans fertiggestellt. Aus dem 1886 für den Bau der Gotthard-Festung geschaffenen Büro für Befestigungsbauten wurde 1902 die Abteilung für Genie, 1911 die Sektion Festungswesen der Generalstabsabteilung, 1943 die Gruppe für Festungswesen, 1951 die Abteilung für Genie und Festungswesen, 1965 die Abteilung für Genie und Festungen und 1979 das Bundesamt für Genie und Festungen.

Während die Festungen am Gotthard im Bau waren, zeigte das Schweizervolk begreiflicherweise grosses Interesse für die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Werke. Das Militärdepartement war mit Bewilligungen für die Besichtigung der Gotthard-Festung grosszügig: Offiziersgesellschaften, eine Musikgesellschaft aus Baselland, interessierte Private erhielten 1890 ohne grosse Formalitäten Zutritt zum Fort Airolo. 1892 wurde das Besuchsrecht eingeschränkt, aber nicht in erster Linie aus Gründen der Geheimhaltung, sondern weil die Besucher den militärischen Betrieb störten. Fortan erhielten nur noch militärische Vereine die Bewilligung, die Festungswerke zu betreten, und dies auch nur an Samstagen und Sonntagen. 1895 – als das ganze Festungssystem in Betrieb war – beschloss das Militärdepartement mit Rücksicht auf die Geheimhaltung: «Gesuche für die Besichtigung der Festungen werden nicht mehr bewilligt.»

Alpenfestung in der Bewährung

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 war der bauliche und personelle Ausbau der Gotthardstellung noch nicht beendet. während der Kriegsjahre mussten die vorerst als Talsperren angelegten Werke durch den Einbezug des Seitengeländes ergänzt werden. Weitere Verstärkungen mit Material und Truppen waren nach dem Kriegseintritt Italiens im Jahre 1915 nötig.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, 1939, kam dem Gotthard keine besondere Bedeutung zu. Italien stand noch nicht im Krieg; und seit die Pässe zugeschneit waren, konnte man sich im starken Gelände mit blosser Raumüberwachung begnügen.

Nach dem Zusammenbruch Frankreichs und dem Kriegseintritt des faschistischen Italien auf Seite des nationalsozialistischen Deutschlands im Sommer 1940 war die Schweiz von den kriegführenden Achsenmächten eingekreist. Angesichts dieser Rundumbedrohung entschied sich General Henri Guisan für die Zusammenfassung der Armee im zentralen Alpenraum, im Reduit, das 1940 bis 1944 mit einem Aufwand von 900 Millionen Franken durch permanente Befestigungen verstärkt wurde, und in dessen Mittelpunkt der befestigte Gotthard stand.

Die deutsche Operationsabteilung plante ab Juni 1940 Angriffe auf die Schweiz. Immer spielte bei diesen Überlegungen der Gotthard eine bedeutende Rolle. Die Deutschen hatten durch Spionage auch einiges in Erfahrung gebracht. Im August 1940 war ihnen unter anderem folgendes bekannt: «Die St. Gotthardbefestigungen setzen sich aus vier bis zu 25 km auseinander liegenden Werkgruppen zusammen, die die aus Westen (Furkapass), Süden (St. Gotthardpass) und Osten (Oberalppass) heranlaufenden Zugangstäler abriegeln und abschliessend im Tal der oberen Reuss zwischen Göschenen und Andermatt die einzige gemeinsame, in die Zentralschweiz herabführende Strasse noch einmal sperren. Der Südausgang des Gotthardtunnels ist durch Stahltore verschliessbar, die mit Scharten für Mg und Pak versehen sind. Er soll im übrigen zur Sprengung vorbereitet sein.» Im «Kleinen Orientierungsheft Schweiz» schrieb das Oberkommando des Deutschen Heeres mit Stand vom 1. September 1942 unter anderem: «Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Schweizer Landesbefestigung heute einen Zustand erreicht hat, der dem Schweizer Heer erlaubt, einem Angreifer ernsthaften Widerstand an den Grenzen entgegenzusetzen und sich im Reduit National auf lange Zeit zu halten… .»

Hans Rudolf Kurz beurteilt die Bedeutung des Gotthards während des Zweiten Weltkriegs wie folgt: «Der Gotthard war der Hüter des entscheidenden strategischen Ziels jedes Angriffs: der Verbindung zwischen Deutschland und seinem italienischen Achsenpartner, einer Verbindung, die um so wichtiger wurde, je mehr die zunehmende Schwächung des südlichen Achsenpartners der Stützung und schliesslich der Beherrschung aus dem Norden bedurfte. Man hat auf deutscher Seite erkannt, dass es nicht möglich wäre, gegenüber einem kampfbereiten Reduit dieses Ziel in nützlicher Frist zu erreichen. Daraus wurde der folgerichtige Schluss gezogen, dass zwar eine Besetzung des schweizerischen Mittellands für die deutsche Wehrmacht keine besonderen Probleme stellen würde, dass es aber für Deutschland einer Niederlage gleichkäme, wenn es die Über- und Durchgänge durch die Alpen nicht kurzfristig in einem benützungsfähigen Zustand in die Hand bekäme. So ist die Rechnung des Generals Guisan aufgegangen, der bereit war, Grosses zu opfern, um mit dem Halten der für Deutschland entscheidenden Alpenübergänge das Ganze zu retten.»

Der militärische Auftrag bleibt

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Gotthard-Festung ihre Bedeutung als beherrschender Stützpunkt der schweizerischen Landesverteidigung behalten. Die vor hundert Jahren geschaffenen Werke sind in der Infrastruktur und Bewaffnung laufend verbessert und mit AC-Schutzmassnahmen versehen worden. Das Verkehrsnetz im zentralen Alpenraum wurde dichter: durch den Bau der Sustenstrasse (1938-1945), den Ausbau der Gotthard-Passstrasse, die Eröffnung des Nufenenpasses (1969), des Gotthard-Strassentunnels (1980) und des Furka-Basistunnels (1982). Die Strassenbauten hatten militärische Konsequenzen, galt es doch wie schon nach der Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels in den 1880er Jahren – die Sicherung auch dieser neuen Achsen zu gewährleisten: durch Festungswerke (Artillerieforts, Infanterieforts, Bunker), durch Hindernisse (Sprengobjekte, Geländeverstärkungen, Panzerbarrikaden) und durch Schutzbauten (Kommandoposten, Übermittlungsanlagen, Unterstände). Im Kriegsfall die Gotthardachsen zu sperren und grosse Teile der schweizerischen Alpen und Voralpen sowie deren Infrastruktur zu behaupten, ist Auftrag der Festungsbrigade 23 und des Gebirgsarmeekorps 3, dessen derzeitiger Kommandant, Korpskommandant Roberto Moccetti, schreibt: «Der Gotthard, Mittelpunkt der schweizerischen Alpen, ist auch Mittelpunkt des Gebirgsarmeekorps 3, das die europäisch bedeutsame Alpentransversale zu sperren hat, eine seit 1815 eingegangene Verpflichtung der neutralen und bewaffneten Schweiz. Der Gotthard ist das wahre Rückgrat des Gebirgsarmeekorps 3; dessen Behauptung war und ist für den Gebirgssoldaten Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit.»


Der Auftrag der Fest Br 23

Schwerpunktmässig mussten die Übergänge aus dem Tessin in den zentralen Alpenraum gesperrt werden. Dies umfasste infanteristische und artilleristische Mittel zur Sperrung der Gotthard-Achse sowie den Verbindungen von Furka und Oberalp her. Der Grossraum Andermatt wurde auch als Führungs- und Nachschubzentrum genutzt und geschützt.

In der Verordnung über die Organisation der Reduittruppen vom 28. Mai 1947 war noch die Rede von der Reduitbrigade 23. Die Brigade wurde im Zentralraum des 3. Armeekorps gebildet. Deren Aufgaben:

  • Halten der Festung St. Gotthard. Damit im Zusammenhang Sperren des Leventinatales und des Bedrettostales (ehemals Grenz-Truppen und 9. Division) sowie des Oberalp-, Gotthard-, Lucendro-, Cavenna-, Rotondo- und Furkapasses (Ter Bat).
  • Durch den Raum der Fest Br 23 (und des AK 4) führte auch die Gotthard-Bahnlinie. Diese wurde in die Abschnitte Arth-Goldau-Sisikon, Sisikon-Amsteg, Amsteg-Göschenen und Airolo-Bodio unterteilt und jeder Abschnitt von einem Bat bewacht.

Karte mit Schweizer Befestigungen in der Berliner Illustrierten vom 17. April 1902 (Landesarchiv Berlin)


Aus der Geschichte

1892 bezeichnete der Bundesrat die Sicherheitsbesatzung für die Befestigungen am Gotthard. Es handelte sich um folgende Truppen:

  • Infanterie: Füsilierbataillon 47, Füsilierbataillon 87 (Auszug), Landwehrregimenter 14 und 29
  • Artillerie: Festungskompanien 1 (Airolo) und 2 (Andermatt), Positionsartillerie-Abteilung IV, Landwehr-Feldbatterie 3
  • Genie: Sappeurkompanien 4, 6 und 8, Pionierkompanien 4, 6 und 8.

Mit der Truppenordnung 1911 war für den Gotthard die Gebirgsbrigade 15 in der 5. Division zuständig, für die Gotthard-Festung wie bisher die St. Gotthard-Besatzung. Sie u.a. die Festungsartillerieabteilungen 1, 2, und 3 sowie die Festungsmitrailleurabteilungen 1 und 2.

Vorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg

Im Falle eines Aufmarsches an der Südfront bildeten Mitte der dreissiger Jahre die 5. Division und die Gotthard-Besatzung die Armeegruppe III unter Leitung des Stabes des 3. Armeekoprs.

Mit der TO 38 entstand aus der 5. Division die 9. Division, die den Gotthard zu halten und im Tessin zu kämpfen hatte. Die 9. Division war der eigentliche Kern am Gotthard, die Gebirgsbrigade 9 stand im Tessin. An Truppen umfasste die Festung St. Gotthard zur Hauptsache das Gebirgsgrenzregiment 65, das Territorialregiment 78, das selbständige Gebirgsgrenzbataıllon 229 sowie die Festungsabteilungen 5 und 6. Die Gebırgsbrigade wurde 1939 in die Grenzbrigade 9 umgewandelt. Zu ihr gehörte unter anderem dıe Festungsabteilung 7.

1940 unterstellte man die bisher selbständige Festung St. Gotthard dem Kommando der 9. Division. Diese und die Gebirgsbrigaden 11 und 12 wurden einem neu geschaffenen 5. Armeekorps unterstellt, das man gemäss Operationsbefehl Nr. 13 vom 14. Mai 1941 als 3. Armeekorps bezeichnete. Diese Änderungen standen im Zusammenhang mit dem Reduit-Konzept, das gewaltige Befestigungsarbeiten zur Folge hatte.

Die Bildung der Gotthard-Brigade

Nach dem Aktivdienst entstand um die Gotthardfestung wieder ein selbständiger Verband: 1947 zunächst als Reduitbrigade und mit der Neuorganisation der Armee gemäss Truppenordnung 1951 als Festungsbrigade 23. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Fortbesatzungen des Gotthards in Festungsartillerie-Abteilungen (Fest Art Abt) gegliedert und als Stammtruppen dem 3. Armeekorps unterstellt.

Mit der Neuorganisation der Festungsartillerie wurden ab 1948 folgende Einheiten gebildet/zugeteilt und im Festungsregiment 23 zusammengefasst

  • Fest Art Kp 11 (Art Wk Fuchsegg)
  • Fest Art Kp 12 (Art Wk Gütsch)
  • Fest Art Kp 13 (Art Wk Bühl-Altkirch)
  • Fest Art Kp 14 (Art Wk Bäzberg)
  • Fest Art Kp 15 (Art Wk Furka-Galenhütten)
  • Fest Art Kp 16 (Art Wk Airolo)
  • Fest Art Kp 18 (Art Wk Bttr Bofors – halbmobil)
  • Fest Art Kp 23 (Art Wk Isleten)
  • Fest Art Kp 24 (Art Wk Grandinaggia)
  • Fest Art Kp 27 (Art Wk Sasso da Pigna)
  • Fest Art Kp 28 (Art Wk San Carlo)
  • Fest Art Kp 29 (Lukmanier, neu)
  • Die Fest Art Kp 25 (Grimsel) wechselt zur Gebirgsbrigade 11.

Die Infanteriewerke wurden in allen Brigaden in drei Kategorien eingestuft:

  • I. Kat: Die Werke der Kat. I umfassen sämtliche mit Waffen ausgerüsteten Objekte, die bei einer Mobilmachung eine Besatzung zugeteilt erhalten. Diese Werke müssen innert 48 Stunden kampfbereit sein.
  • II. Kat: Alle andren bewaffneten Objekte der Reduitbrigaden sind in Kat. II eingeteilt (kampfbereit innert 14 Tagen), allenfalls durch improvisierte Besatzungen von Verstärkungstruppen besetzt.
  • III. Kat: Diese Kategorie umfasst alle nicht bestückten Werke oder sonstigen bauten und Einrichtungen, die von der FW Kp. verwaltet werden und verschiedenen Zwecken dienen (Lagerung von Werkwaffen, Munitions- und Lebensmitteldepots, Unterkunft für Truppen usw.

1949 kam ein Artillerie-Wetterzug neu zur Brigade, die mit der TO 51 zur Festungsbrigade wird.

  • Fest Rgt 23
    • Stab
  • Fest Abt 5
    • Stab
    • Fest Stabskp 5
    • Fest Kp I/5 (Gütsch)
    • Fest Kp II/5 (Bäzberg)
    • Fest Kp III/5 (Isleten)
    • Fest Kp IV/5 (Lukmanier-Disentis)
  • Fest Abt 6
    • Stab
    • Fest Stabskp 6
    • Fest Kp I/6 (Sasso da Pigna)
    • Fest Kp II/6 (San Carlo)
  • Fest Abt 7
    • Stabskp
    • Fest Stabskp 7
    • Fest Kp I/7 (Grimsel)
    • Fest Kp II/7 (Fuchsegg)
    • Fest Kp III/7 (Furka)
  • Fest Abt 17 (1962-1977)
    • Stabskp
    • Fest Stabskp 17
    • Fest Kp I/17 (Motta Bartola (Artillerie)
    • Fest Kp II/17 (Airolo (Infanterie)
    • Fest Kp III/17 (Grandinaggia/Manegorio) -> wird 1978 zur Wk Kp 68
  • Fest Flab Abt 23
    • Stab
    • Fst Flab Kp 5
    • Fst Flab Kp 6
    • Fest Flab Kp 7

Anpassungen – und das Ende

1977 wurde die Truppengattung Festungstruppen geschaffen, in der Folge gab es weitere Anpassungen: Die Infanteriebunker (ohne Aussenverteidigung der Forts), 8,1 cm-Festungsminenwerfer-Werke und Forts mit infanteristischem Auftrag wurden in Werkkompanien ausgegliedert respektive zusammengefasst. Neu gebildet wurden:

  • Wk Kp 66 (Bühl–Altkirch)
  • Wk Kp 66 (Oberalp-Disentis)
  • Wk Kp 67 (Airolo)
  • Wk Kp 68 (Grandinaggia)
  • Wk Kp 69 (Furka/Ladsteg).

Zudem wird die Fest Abt 17 aufgelöst oder in andere Verbände überführt. Die neue Gliederung (inkl. teilweiser Umbenennungen der Kompanien) zeigt auch, dass die Reduktion respektive Ausmusterung alter Werke begonnen hat:

  • Fest Rgt 23
    • Stab
    • Stabskp Fest Rgt 23
  • Fest Abt 5
    • Stab
    • Fest Flt Kp 5
    • Fest Kp I/5 (Gütsch)
    • Fest KP II/5 (Bäzberg)
    • Fest Kp III/5 (Lukmanier)
  • Fest Abt 6
    • Stab
    • Fest Flt Kp 6
    • Fest Kp I/6 (Sasso da Pigna)
    • Fest Kp II/6 (San Carlo)
    • Fest Kp III/6 (Motta Bartola)
    • Fest Hb Bttr IV/6 (1987-94)
  • Fest Abt 7
    • Stab
    • Fest Fl Kp 7
    • Fest Kp I/7 (Grimsel)
    • Fest Kp II/7 (Fuchsegg)
    • Fest Kp III/7 (mobil, 4×10,5 cm Hb, 4×12 cm Mw 41. 1991 aufgelöst)
    • Fest Hb Bttr IV/7 (1987-94)
  • Fest Flab Abt 23
    • Stab
    • Fest Flab Stabsbttr 23
    • Fest Flab Bttr I/23, II/23, III/23

1987 ist die letzte grössere Bewegung zu verzeichnen: Die Zuteilung von drei Fest Hb Bttr mit je 6×10,5 cm Hb 46 als Fest Hb Bttr IV/5, Fest Hb Bttr IV/6 und Fest Hb Bttr IV/7.

Mit dem Ende der Armee 61, das heisst auf 31. Dezember 1994, wurden die Festungsbrigade und auch das Festungsregiment 23 aufgelöst. In der Armee 95 blieben als Festungstruppen im Regimentsraum nur das Festungs-Pionierbatallion 36 und die Festungsartillerie-Abteilung 6 (die Abt 13 für St.Maurice/Sargans).


Die Kampfgruppen (Einsatzbefehl 1990)

1990 war die Festungsbrigade im Einsatz in mehrere Kampfgruppen aufgeteilt.

  • Kampfgruppe Infanterieregiment 69
  • Kampfgruppe Infanterieregiment 81
  • Kampfgruppe Infanterieregiment 87
  • Kampfgruppe Infanterieregiment 29
  • Gebirgsfüsilierbataillon 72
  • Kampfgruppe Tunnel (Geb Füs Bat 87)
  • Genieabteilung 63
  • Festungsregiment 23
  • Festungsflababteilung 23

Mit der Armee 21 wurden alle Objekte in der Festungsartillerieabteilung 13 zusammengefasst und diese im Juni 2011 aufgelöst. Die verbleibenden Bison-Festungsgeschütze sowie Festungsminenwerfern haben dadurch keine Bedienungsmannschaften mehr, obwohl sie auf dem Papier noch ein paar Jahre im Bestand verbleiben werden. Die Festungstruppen aber hatten – auch auf dem Gotthard – aufgehört zu existieren.

Gotthardregiment: Standarten abgegeben («Berner Oberländer»)

Das Fest Rgt 23 (Gotthardregiment), bestehend aus der Stabskp Fest Rgt 23 und den Fest Abt 5, 6 und 7, rollte am 2. Juni 1994 zum letzten Mal die Fahnen ein. Die Abteilungen und einige Kp werden aufgelöst. Die restlichen Kp werden in neu gebildeten Verbänden der Armee 95 weiterbestehen. Das Gotthardregiment ist eng mit der Geschichte der militärischen Befestigungsanlagen im Gotthardgebiet verbunden. Nach der Öffnung der Schöllenen im Mittelalter hatte der Gotthardpass als eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen über die Alpen nicht nur für den Warenverkehr eine grosse Bedeutung.

In einer schlichten Feier wurden am 2. Juni die Feldzeichen der drei Abteilungen abgegeben. Der Regimentskommandant, Oberst i Gst Siegwart, versammelte – erstmals in der über 40jährigen Geschichte – das ganze Regiment in Andermatt. Die Fahnen grüssten letztmals die über 1700 dienstleistenden Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere und wurden von den Abt Kdt Major Barbatti (Fest Abt 5), Major i Gst Wagner (Fest Abt 6) und Major i Gst Niquille (Fest Abt 7) verabschiedet.


Die Kommandanten

  • 1892-1899 Segesser von Brunegg, Heinrich
  • 1900-1901 Heller, Hermann
  • 1902-1902 Sprecher von Bernegg, Theophil
  • 1903-1908 Geilinger, Rudolf
  • 1909-1914 Brügger, Friedrich
  • 1915-1916 Dietler, Eduard
  • 1917.1917 Biberstein, Arnold
  • 1918-1919 Pyffer von Altishofen, Hans
  • 1919-1926 Jenny, Jakob
  • 1927-1934 von Salis, Albert
  • 1935-1937 Tissot, Edouard
  • 1938-1947 Kommando aufgeteilt in Nord-, Süd-, Ost- und Westfront
  • 1947-1950 Wierss, Kurt
  • 1951-1953 Brunner, Hans
  • 1954-1962 von Sury, Ulrich
  • 1963-1970 Wittwer, Hans
  • 1971-1978 Kessler, Rudolf
  • 1979-1983 Winkler, Walter
  • 1984-1986 Baumann, Benno
  • 1987-1990 Liener, Arthur
  • 1991-1997 Rauch, Andrea
  • 1998-2000 Markwalder, Alfred
  • 2001-2003 Hürlimann, Urs