Die Geschichte der Festungs-Mitrailleure

Von jeher war klar, dass befestigte Plätze oder Festungen nicht allein durch die Werkbesatzung zu verteidigen war. Der Begriff Festung wurde zumindest in der Schweiz nicht nur für einzelne Objekte, sondern auch für befestigte Räume wie St. Maurice, Sargans oder St. Gotthard genutzt. So ist es nur nachvollziehbar, dass auch die neu aufgestellten Mitrailleure diesen Festungen zugeteilt und eben als Festungsmitrailleure bezeichnet wurden.

Der Beginn

Die Geschichte der Festungsmitrailleure beginnt im Jahr 1892. Nach dem Ausbau der Verkehrswege über den Gotthard – 1820 die Strasse und 1882 die Bahn, erkannten man die Notwendigkeit, im Gotthardgebiet Festungswerke zum Schutz der Alpenübergänge zu bauen.

Für den Festungsbau begannen die Planungen 1885, die erste Bauperiode umfasste die Zeit von 1886-1894.

Auf den Zeitpunkt der Vollendung mussten auch die entsprechenden Verteidigungstruppen aufgestellt werden. Nach einem Beschluss der eidgenössischen Räte von 1892, der die gesetzlichen Grundlagen schaffte, begann man mit der Ausbildung der Werkbesatzungen.

Die erste Rekrutenschule der Festungstruppen fand 1893 in Andermal statt. Als Unterkunft diente das ehemalige Barackenlager Altkirch.

Eingeführt wurde das neue Maschinengewehr vom englischen Typ Vickers. Es hatte einen Wassermantel zur Kühlung des Laufes, der aber nur 1,5 Liter Wasser fasste. Dazu wurde eine Dreibeinlafette geliefert.

Auf Grund er Truppenversuche wurde die Lieferung eines Wassermantels mit 4 Litern Inhalt gefordert. Diese Maximum-Maschinengewehre gaben dann den ersten Mitrailleuren den Namen «Maximisten».

Die Organisation der Festungstruppen

Für die gesetzliche Regelung der Organisation der Festungen und ihrer Truppen waren weitere Beschlüsse notwendig. Das Bundesgesetz von 1894 regelte die Organisation der Verteidigung der Gotthardbefestigungen und ein Bundesratsbeschluss von 1897 gab den Rahmen für die Organisation der Festungstruppen und der Sicherheitsbesatzungen von St. Gotthard und St. Maurice.

Zu den Festungstruppen gehörten

  • die Festungs-Artilleristen (Kanoniere und Beobachtet)
  • Maschinengewehr-Schützen
  • Festungs-Sappeure

An Mitrailleuren wurden aufgestellt: 2 Maschinengewehr-Kompanen zu je 2-3 Zügen à 4 Maschinengewehren.

Die zur Landwehr übertretenden Kader und Mannschaften waren vorgesehen als Ersatz und Reserve für den Auszug. Sie waren demnach die ersten Mitrailleure unserer Armee.

Die Organisation der Mitrailleure bei der Kavallerie wurde erst ein Jahr später durch einen Bundesratsbeschluss von 1898 verfügt. Vorgesehen wurde die Bildung von 4 berittenen Maxim-Gehweh-Kompanien, je eine pro Armeekorps, von denen es damals vier gab. Eine spätere Truppen-Organisation benannte 1902 die Maschinengewehr-Schützen als «Mitrailleure» und die Einheiten als «Festungs-Mitrailleur-Kompanien».

Erwähnenswert ist die Aufgeschlossenheit der damaligen für die Ausrüstung und die Ausbildung zuständigen Offiziere. Sie stellten fest, dass die mit dem englischen Maschinengewehr gelieferten Dreibeinlafetten für das Gebirge nicht geeignet waren. In den Werkstätten der Festungsverwaltung wurde durch den Offizier des Materiellen, Major Geelhaar, und durch den damaligen Werkstättenchef, Adj Ulf Frauenfelder, eine eigene Lafette nach dem Prinzip des Bauern-Tragreffs eingeführt. Diese Refflafette hat jahrelang gut gedient, bis man den anderswo der Auffassung war, die Lafette sei nicht das richtige Schiessgerät.

Das Maschinengewehr Mg 11

Zum Zeitpunkt, da weitere Maschinengewehr-Lieferungen von den deutschen Waffen- und Munitions-Fabriken in Berlin erfolgten, wurde in den Jahren 1910/11 die verbesserte Dreibeinlafette eingeführt. Die alten Gotthard-Mitrailleure werden sich noch an die Stellungsbezüge mit dem Maschinengewehr auf Refflafette erinnern. Man musste sich oft wundern über die Findigkeit der Schiessgehilfen, denen die Aufgabe zukam, für die Stabilität der Waffe durch Auflage eine geeigneten grösseren Steins auf die Traverse zu sorgen. Geeignete Steine waren nämlich schwer zu finden.

Trotzdem liessen sich gute Leistungen im Schiessen auf Feldziele, die damals bis auf 1200 Meter beschossen wurden, erreichen. Das war nur möglich dank einer sorgfältigen Ausbildung der Schiessenden, aber auch der feuerleitenden Offiziere, für letztere besonders im Beobachten der Einschläge und der Aufsatzkorrekturen.

Das damalige Visier, Aufsatz genannt, ermöglichte auch Seitenkorrekturen, was besonders bei starkem Seitenwind und auf grosse Distanzen recht zweckmässig war, um die Geschossgarbe auf kolonnenviele und kleine Punktziele zu regeln. Von 1915 an wurden dann die Maschinengewehr in der Schweiz hergestellt, nachdem die Lizenz dafür erworben worden war.

Die Uniform

Nebenbei erinnern wir uns auch noch an die damalige Uniform. Es war de schwarze Waffenrock, vorerst mit Umlegekragen, später mit rotem Kragen der Festungs-Artillerie, aber ohne die Bomben auf Kragen und ohne Ärmelaufschläge und mit glatten gelben (goldenen) Knöpfen.

Als Kopfbedeckung trugen die ersten Festungstruppen eine schwarze Tellermütze, ähnlich dem Betet der französischen «chasseur alpine». Später kam das Käppi mit gekreuzten gewähren der Infanterie, aber mit gelbem Pompös, verschieden vom Orange der III. Kompanie der Infanterie. Bemerkenswert ist ferner, dass die Festungs-Mitrailleure viele Jahre Arbeits-Überkleider trugen, die nicht nur die Uniform gegen Verunreinigungen schützten, sondern die Truppe im Gelände auch gut tarnten. Selbst in der Bewegung waren die Mitrailleure im Felsgebiet schwer zu erkennen und einmal in Stellung, bleiben sie meist unbemerkt, bis sie das Feuer eröffneten. Zweckmässig waren die Überkleider auch, weil beim Marsch im Gebirge bei warmer Witterung die Bluse ausgezogen werden konnte, so dass das Marschieren in der Überkleiderbluse sehr angenehm war.

Die Neuorganisation 1907

Die Militär-Organisation 1907 der arme brachte bezüglich der Mitrailleure folgende Neuorganisation:

  • jedes Infanterie-Regiment erhielt eine Mitrailleur-Kompanie.
  • pro Division wurde ausserdem eine fahrende Mitrailleur-Abteilung gebildet, pro Kompanie 4-8 Maschinengewehre
  • bei der Kavallerie erhielt jedes Regiment eine berittene Mitrailleur-Kompanie.

Das Jahr 1911 brachte für die Festungsbesatzungen eine eigene Organisation. Die «Festungstruppen» wurden eine eigene Truppengattung. Ausser der Neuordnung der Festungs-Artillerie und der übrigen Festungstruppen gab es mehr Festungs-Mitrailleure. Aus den beiden Kompanien wurden 2 Abteilungen æ je 4 Kompanien gebildet, vorerst zu je 4, später zu 8 Maschinengewehren. Die Festungs-Mitraiileur-Abteiung hatte 3 Kompanien Auszug und 1 Kompanie Landwehr.

Die Säumerei

Bis in die Jahre 1908/09 verfügten die mobilen Festungs-Truppen (Mitrailleure, Pioniere, Sappeure) über keine Saumtiere und keine Fuhrwerke. Es war sicher ein Fehler, dass damals niemand daran dachte, die schwerbeladend Mannschaft durch Beigabe von Pferden wenigstens einigermassen zu entlasten. Diese Unterlassung ist wohl damit zu entschuldigen, dass damals im Gotthardgebiet ausser den Passstrassen noch keine oder nur bis zu den Festungswerken führende Strassen vorhanden waren, Die für die Ausbildung und den Einsatz massgebenden Offiziere hatten aber das bestreben, die Festungs-Mitrailleure überall da zum Einsatz zu bringen, wo die Infanterie zu kämpfen hat. Diese Überlegung brachte es mit sich, dass die Festungs-Mitrailleure vor allem im Gebirgsmarsch trainiert wurden.

Der Einsatz im Hochgebirge erforderte aber nicht nur den Marsch in eine Kampfstellung, sondern auch das tagelange Ausharren, wobei die Unterkunft in unmittelbarer Nähe der Kampfstellungen gewählt werden musste. Neben dem Kampfbedarf und der Verpflegung musste zum Leben im Gebirge auch die entsprechende Gebirgsausrüstung vorhanden sein. Die mobilen Festungstruppen verfügten über eine Gebirgsausrüstung (Tragreff statt Tornister sowie gebirgserprobte Zelte usw.), wie sie keine andere Truppe der Armee zur Verfügung hatte.

Was die damaligen Festungs-Mitrailleure in Rekrutenschule und Wiederholungskursen, in Gebirgsmärschen und Manöverübungen, leisteten und dazu noch mit schweren drückenden lasten, das steht wohl unerreicht da.

Zu den ausserordentlichen Erfolgen in der Gebirgsausbildung bei den mobilen Festungstruppen, insbesondere bei den Festungs-Mitrailleuren, haben einige Offiziere beigetragen, die nicht nur in den Schweizer Alpen, sondern auch im Ausland in den klassischen Hochgebirgen verschiedener Erdteile anerkannte Pionierarbeit bei deren Bezwingung und Erforschung geleistet haben. Die Namen Weber und Helbling dürften anerkennend erwähnt werden. Der Aufgeschlossenheit der damals für die Ausbildung verantwortlichen Vorgesetzten ist es zu verdanken, dass der Einfluss der genannten Offiziere sich bei der Ausbildung der Truppe durchsetzen konnte.

Aber diese grossen Leistungen und die durch die schwere Ausrüstung bedingte Überlastung der Mannschaft führte mit der Zeit doch zu gesundheitlichen Schädigungen einzelner weniger kräftiger Leute. Abhilfe war notwendig.

Mit der Zeit wurden die Wegverhältnisse durch den Bau von Saumwegen verbessert, und so war es gegeben, dass man in den Jahren 1909/10 mit der Zuteilung von Säuferpferden an alle mobilen Festungstruppen Versuche machte. Bereits in den Rekruten- und Unteroffiziersschulen wurde das Kader in der Verwendung der Saumtiere und im Säuferdienst von Hilfsinstruktoren der Gebirgsartillerie unterrichtet. Es wurde damals über Stock und Stein gesäumt und manche Episode aus jener zeit gäbe Stoff zu fröhlicher Unterhalten – zB das Küchenpferd, das mit brennender Schwyderscher Feldküche gebastet auf dem Kasernenplatz Altkirsch durchbrannte).

Organisatorisch waren damals die Pferde und ihre Führer nicht bei den Mitrailleur-Kompanien, sondern beim Festungstrain in einer besonderen Säumerkompanie, der Festungs-Train-Kompanie 2, eingeteilt, deren Kommandant lange Jahre Hauptmann Camenzind war. Säumer und Pferde wurden im Mobilmachungsfall nach Bedarf den mobilen Festungstruppen zugeteilt.

Diese Organisation befriedigte deshalb nicht, weil die Säumer zu oft wechselten und nie mit der Truppe, der sie zugeteilt wurden, verwachsen konnten. Auch die Mitrailleur-Offiziere und -Unteroffiziere lernten ihre Hilfstruppe nicht genügend kennen. Die spätere Neuordung der Festungstruppen von 1911 änderte die organisatorische Zuteilung der Säumer und Pferde.

Die Festungs-Train-Kompanie 2 wurde aufgelöst und die der Gotthardbesatzung zugeteilte Infanterie sowie die mobilen Festungstruppen erhielten ihren Saumtrain organisatorisch zugeteilt. Davon ausgenommen waren die Landwehr-Kompanien, die aber im Mobilmachungsfall nicht mehr bei der Abteilung blieben, sondern aufgeteilt den Festungs-Artillerie-Kompanien zugeteilt wurden, zur Nahverteidigung der Festungswerke.

Die Landwehr-Festungs-Mitrailleure hatten damit wieder die Aufgabe zu erfüllen, welche die Schöpfer der ersten Festungsorganisation mit der Aufstellung von Maschinengewehr-Einheiten bezweckt hatten. In allen Armeen wurden automatische Waffen immer mehr eingeführt und damit änderte auch die Kampfweise der Infanterie. Die Taktik forderte grössere beziehungsweise raschere Feuerwirkung, die durch die Vermehrung der automatischen Infanteriewaffen erfüllt werden konnte.

Neuorganisation 1924

Die neue Organisation des Heeres von 1924 brachte wieder grosse Änderungen bei allen Mitrailleur-Formationen.

  • die Regiments-Mitrailleur-Kompanien wurden aufgelöst, dafür erhielt jedes Infanterie-Bataillon eine eigene Mitrailleur-Kompanie.
  • Die Festungstruppen als eigene Waffengattung wurden wieder aufgehoben.
  • Die Festungs-Mitrailleur-Abteilung am Gotthard wurden umorganisiert, der Infanterie zugeteilt und als Gebirgs-Mitrailleur-Abteilung 1 und 2 bezeichnet. Die Abteilung umfasste neu 3 Kompanien.

Die Zuteilung der zahlenmässig ungenügenden Landwehr-Festungs-Mitrailleure an die Werkbesatzungen war ein Notbehelf und konnte auf die Dauer nicht befriedigen. Ausserdem wurden auch den Festungs-Werkbesatzungen immer mehr automatische Waffen zugeteilt.

Das führte dazu, dass die Werkwaffen durch eigene Mannschaft, also durch Kanoniere, bedient werden mussten. Das ist bis heuet so geblieben und wohl zweckmässig. Landwehr und Landsturm blieben wieder bei den Mitrailleur-Abteilungen.

Nachdem in der Armee jedes Infanterie-Bataillon eine eigene Mitrailleur-Kompanie erhalten hatte, und bei den Füsilier-Kompanien zahlreiche Maschinengewehre zugeteilt wurden, konnte die Infanterie auf die bisherige Zuteilung von weiteren Mittrailleur-Formationen verzichten. Die noch vorhandenen Mitrailleur-Formationen konnten andere Aufgaben übernehmen.

Die Generalstabs-Abteilung sah sich daher gezwungen, die weitere Existenz eigner Mitarilleur-Formationen zu überprüfen. Das führte zur Auflösung der fahrenden Mitrailleur-Abteilungen bei den Divisionen und der Gebirgsabteilung 3 in St. Maurice. Die Gebirgs-Mitrailleur-Abteilungen 1 und 2 konnten 1924 nur durch einen Zufall erhalten werden.

Der Zufall

Anlässlich einer dienstlichen Anwesenheit bei der Generalstabsabteilung in Bern wurde Oberst Luchsinger vom damaligen Generalstabschef über die Absicht informiert, auch die Festungs-Mitrailleur-Abteilungen 1 und 2 aufzulösen, da es Rekrutierungsschwierigkeiten gäbe. Luchsinger durfte seine Ansicht äussern und benutzte die Gelegenheit, die weitere Existenznotwendigkeit dieser Formationen bei den Festungsbesatzungen zu begründen. Er erwähnte, dass es im Gebirge in engen Abschnitten, wo aus taktischen Gründen in der Verteidigung kein Grossangriff zu erwarten sei, oft grössere Räume durch schwache Truppen verteidigt werden müssen. In solchen Fällen wären gerade Mitrailleure geeignet, mit den weitreichenden Maschinengewehren diese Aufgaben zu erfüllen. Ferner sagte er, dass bei eingetretenen Schwierigkeiten in einem Verteidigungsabschnitt, wo der Geländeverhältnisse wegen weitere Infanterie-Einheiten nicht zweckmässig eingesetzt werden können, der Einsatz von Maschinengewehren zur Herstellung eines notwendigen Schwergewichts ausserordentlich wertvoll sein könnte. Es gelang ihm, den Generalsstabschef zu überzeugen, dass die Gebirgs-Mitarilleure-Abteilungen 1 und 2 erhalten werden müssten, was jedoch ein Kompromiss in der Organisation bedeutete. Die Abteilung hatte nur noch 2 Kompanien Auszug und 1 Landwehr-Landsturm-Kompanie. Ein Saumtrain fehlte. Dafür sollten die Auszug-Kompanien nach bedarf Saumtiere oder Motorfahrzeuge erhalten. Mit der zunehmenden Motorisierung war letzteres wohl gut möglich, aber dieses Transportmittel war auf die Strasse angewiesen. s ist leicht verständlich, dass die Kommandanten, welche diese Truppe in den letzten Jahren zu führen hatten, mit dieser Organisation nicht restlos zufrieden waren.

Nach dem zweiten Weltkrieg zwang der Kalte Krieg die Staaten statt abzurüsten, eifriger denn je an der Modernisierung und Neubewaffnung ihrer Armee zu arbeiten. Neue Kampfformen und neue Kampfmittel mussten bei Änderungen der Armee-Organisation in Betracht gezogen werden. Auch die Organe der Militärverwaltung und die Armeeleitung im Frieden, welche für die Kriegsbereitschaft verantwortlich waren, mussten den neuen Verhältnisse angepasst werden.

Die Infanterie verfügte selbst über leichte Maschinengewehre, schwere Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Minenwerfer, panzerbrechende Waffen, Verbindungsmittel, die organisatorisch den Bataillonen zugeteilt wurden.Die Infanterie wurde selbstständiger, sie konnte auf die Zuteilung von weiteren Mitrailleur-Formationen verzichten. Diese veränderte Lage führte dazu, dass die nach alter Truppenordnung noch verbliebenen selbstständigen Mitrailleur-Formationen im Laufe der einer letzten Reorganisation aufgelöst werden mussten. Die Abteilungen wurde den Infanterie-Formationen zugeteilt.

Der Text basiert auf einem Vortrag von Oberst M. Luchsender, Kommandant der Gotthard-Südfront 1941-45 sowie Ergänzungen aus weiteren gedruckten und publizierten Quellen.